Zyklus: “Der Punkt denkt …”
Gemälde auf preparierten englischen und französischen Leinenpostsäcken.
“Die Tollwut des Donauhundes”
Die Spannweite der in den letzten Jahren entstandenen Postsackbilder von Wolfgang Hanghofer wird ebenso durch eine geradezu orgiastische Präsenz der Farbe wie durch eine klare intellektuelle Positionierung bestimmt. Der unbekümmerte, gleichsam hingeschleuderte, wie von selbst entstandene, pastose Farbauftrag läßt an Vinzent van Gogh denken.
linz, die oberösterreichische Stadt an der Donau, die nach eigener Werbeaussage “Ios” ist, wurde Wolfgang Hanghofer, der in eben dieser Stadt 1955 auf die Welt kam, schon vor Jahren los, zog der ehemalige “Donauhund” (so der Name einer mit Robert Mittringer gemeinsam gegründeten Künstlergruppe) es doch vor, dem Urfahraner Dunstkreis zu entgehen, um in Paris, london, New York und Wien abwechselnd und jeweils nicht zu kurz Station zu machen. Als streunender Postsackmarder verpaßt Hanghofer dem vormals arg geschundenen, für die Kunst in Beschlag genommenen groben Material mit kräftigem Druck und in kühner expressionistischer Geste kiloweise Farbe aus jenem Arsenal von Tuben, deren finanzielle Rekrutierung dem Maler arg zu schaffen macht. 1992 verbrauchte er in london 120 Kilo Farbe, heute, am 22.Juni 1995, sagte er mir, daß es bis jetzt schon insgesamt 600 Kilo seien, die seine Postsäcke verschlungen haben. Sein limit: ein zunächst gefundener, dann geöffneter, per Hand flachgelegter, mit Nadel und Zwirn genähter und erst anschließend endgültig bemalter, farbenfreudiger Postsack. “Ein Sack drei Stunden” sprach Hanghofer. Was der, seiner Heimatstadt nur bedingt verlorengegangene Kosmopolit, so treibt, muß schnell, im Vorbeigehen passieren, dafür jedoch mit der ganzen psychischen und physischen Anspannung, zu der der Chronist des “Plötzlichen” dank seiner Kraft und Sensibilität fähig ist. Hanghofer schenkt sich nichts. Er taucht dort in den Strom existenzieller Problematik ein, wo diese am dichtesten ist und hohe Authentizität vermittelt. Es sind die unterschiedlichsten Menschen in den Kulminationspunkten der Metropolen, die neben Bauwerken, Ambiente und Stimmungen seine Malerei bestimmen und beflügeln. Individualität gegen Anonymität lautet die Parole des lebens und Überlebens.
Hanghofer skizziert aus der Tube. Seine Malweise ist rasch und vehement, der Duktus seiner Bilder bevorzugt ein rhythmisches Stakkato, in das von mal zu mal die Blitze einer angespannten, anteilnehmenden Befindlichkeit einschlagen.
Wolfgang Hanghofer ist ein feinfühliger, drahtiger und zugleich zerbrechlich wirkender Exorzist der Farbe. Die am Boden liegenden Postsäcke werden, wie im Tachismus, von mehreren Seiten aus bemalt, ähnlich Plätzen, die von verschiedenen Straßen und Gassen her zugänglich sind. Hanghofers Bilder vermitteln etwas Ungestümes und zugleich Bestimmendes. Die Tollwut des Donauhundes zeigt Biß. Sie entlädt sich in einer Frische und Unmittelbarkeit, die den Grenzgänger Wolfgang Hanghofer in die Nähe des ursprünglichen Undegroundflitzers Keith Haring rückt.
Prof. Peter Baum
Auszug aus der Eröffnungsrede von Dir. Peter Baum anlässlich der Ausstellung Wolfgang Hanghofer in der EA-Generali, Linz, am 31.01.1994
…Die Arbeiten Hanghofers haben eine Reihen von Aspekten, die man in der Entwicklung der Kunst der letzten Jahre sehr gut orten kann, im Sinne von Übereinstimmungen aber auch im Sinne von Kontrasten, im Sinne von Anpassungen aber auch im Sinne von ganz bewussten Brüchen, es ist eine gewisse Kratzbürstigkeit, eine Widerspenstigkeit drinnen und für mich pendeln sie sozusagen technisch und stilistisch, wirklich, wenn Sie an die pastosen Farbaufträge denken, zwischen Van Gogh und Keith Haring. Van Gogh, sozusagen der historische Altmeister, der damals eine Revolution gewagt hat, indem er direkt aus der Tube auf die Leinwand ging; was dann in den 50er Jahren im Aktionismus Matthieu machte, im informellen und abstrakten Impressionismus und Wolfgang Hanghofer als Angehöriger eines anderen Jahrhunderts und einer anderen Generation, der ja auch intellektuell die Dinge, die um ihn herum passieren, sehr genau verfolgt. Ich sehe diese Arbeiten oder einen Teil davon auch beeinflusst nicht direkt, sondern nur indirekt eher aus der Befindlichkeit, eigentlich von der Notwendigkeit dieses schnellen Untergrundmalens wie es eben Keith Haring praktizierte…
…Man spürt den Ductus, man spürt eigentlich diese auch atmosphärische Schnelligkeit und Bereitschaft, hier einzudringen in eine Welt, die sich erst erschließt, weil er den Postsack geraubt und bearbeitet hat. Es ist also überhaupt keine simple Abbildhaftigkeit, sondern es ist ein absolut schöpferischer Vorgang, der sich mitunter mit einem relativen Minimum an Mitteln vollzieht und dadurch eben eine Steigerung im Ausdruck erhält…
…Ich würde sagen, dass diese südliche Arbeitsweise von Wolfgang Hanghofer, dass darin also eine Konzentration auf eine bestimmte Möglichkeit, die umgekehrt aber in der ganzen Vielfalt offenbart wird, ein Charakteristikum seines bildnerischen Denkens und Handelns ist. Auch das ist nicht so selbstverständlich und wird meiner Meinung nach in einer subpluralistischen und widersprüchlichen Situation, wie heute nur dadurch ermöglicht oder dadurch genährt, dass man bei allen Einschüchterungen glücklichen Daseins bis zur Verzweiflung immer wieder den richtigen Weg daraus findet, um auf sich selbst zu hören. Dieses auf sich selbst gestellt sein, das wahrscheinlich der Künstler am stärksten empfindet, ist eigentlich hier der entscheidende Maßstab…
Zitat: Dr. Petr Stephan
FINE ART-Museum, Prag
Wolfgang Hanghofer:
Unter der Schirmherrschaft des österreichischen Kulturforums stellt in Prag ein Künstler von internationalem Rang aus, der jedoch trotzdem im Wesen ein Mitteleuropäer geblieben ist. Wolfgang Hanghofer stellte bereits in vielen Städten aus und die Themen seiner Ausstellungen hängen oft mit den Ausstellungsorten zusammen. Und so ist es auch hier in. Prag. Der Autor überträgt seine Erlebnisse und Eindrücke in die Ausstellungshalle der Stadt, die die Entstehung einiger Dutzend Bilder und einer Vielzahl von Zeichnungen inspirierte.
Im Gegensatz zu London, wo das Hauptmotiv der Bilder von Hanghofer der Dynamismus der Themse und des Lebens ist, das sich in ihr widerspiegelt. Prag ist für Hanghofer ein magisches Konglomerat architektonischer Formen, Räume, Linien und Kulissen.
W. Hanghofer schafft, ganz in der Tradition des österreichischen Aktivismus, direkt am Ort – im Terrain.
Die Art und Weise seiner Malerei ist direkt und intensiv. Sofern sich der Betrachter nicht wehrt kann er in das Bild “hineingezogen” werden. Dieser Eindruck der Direktheit und der Lebendigkeit wird durch temperamentvolle reine Malerei, ausdrucksvolle Farben auf einer einfachen, unbehandelten Leinwand oder direkt auf einer Leinwand aus Leinenpostsäcken, verstärkt.
Der Maler arbeitet zwar spontan, aber im Prinzip nähert er sich zuerst dem “Motiv” von verschiedenen Seiten und Winkeln, manchnial steigt er auch in das Interieur ein, um danach schnell, tatsächlich das Erlebte durch intensive Malerei einzufangen.
Die Gestaltung wird zumeist auf mehreren Tafeln durchgeführt, getrennt durch Farbe und Blickwinkel.
Wenn der Autor den Ort, die augenblickliche Atmosphäre und auch sein unwiederbringliches Erlebnis einfängt, dann ist das Werk fertig, die Leinwand wird auf das Auto gebunden und ins Atelier gebracht.
Bei den Zeichnungen ist Hanghofer realistischer, er fängt durch einen bravourösen Strich den Schwung der Fassade ein, die Harmonie der Horizontale und das Leben der Prager Gaststätten.
In weiteren ausgestellten Porträt- und Aktzeichnungen findet sich eine unverkennbare große österreichische Tradition wieder, das Erbe von Klimt und Schiele. In den Werken von Hanghafer findet man auch logischerweise unverkennbare weitere Einflüsse der österreichischen Kultur. Es sind bereits die Grundsteine der modernen österreichischen Kunst, welche schon ihre eigenständige Ästhetik, tlw. Antiästhetik gebildet hat, die sich zu einer neuen Ästhetik entwickelte.
Abgesehen von Bildern und Zeichnungen mit Prager Motiven stellt der Autor einen kleinen Zyklus von Bildern aus Paris aus. Die Bilder entstanden vor 10 Jahren, im Jahre 1996 und fangen das Nachtleben in der Nähe der St- Denis Strasse ein. Ein extravaganter und wilder Farbenreichtum strahlt aus den dunklen nächtlichen Strassen, er weist auf die expressionistische Vorliebe des Autors hin, was charakteristisch für den Stil der Generation der 50er Jahre ist. Die Pariser Welt der Prostituierten wird hier vorgestellt, in seiner tatsächlichen und expressiven Aggressivität. Man
muss den Autor auch dafür bewundern, dass er selbst auf diesem Gebiet bewiesen hat – mit Leinwand und Händen zu arbeiten.
Auf der Ausstellung befinden sich auch Auszüge aus der Sammlung “Sagrada Familia”, in der sich der Autor mit dem monströsen und genau durchdachten architektonischen Erscheinungsbild, dem Werk und dem unvollendetem Vermächtnis des Architekten Gaudi vergleicht.
Ein weiterer Zyklus ist einem Thema gewidmet, das den Maler derzeit sehr interessiert und mit dem er sich zweifellos in der Zukunft beschäftigen wird. Die Landschaft und das Gewässer des BöhmerWaldes. Es ist bloß eine Quelle, die später zu einem gewaltigen Strom wird und durch machtvolle Metropolen fließt.
Entgegen allen vorherigen Zyklen findet man hier die sichtbare, beruhigende Kraft der Natur, v. a. des Wassers, vor. Für den Künstler, der sich zur intensiven Malerei und dem Aktionismus bekennt, wird allerdings sicher auch der Böhmerwald zu einer neuen und sehr anregenden Inspirationsquelle werden.